Bildende Kunst und Kultur in Deutschland  
Professional Cultural Management throughout Germany

Prof. Dr. Helge Bathelt

Laudatio am 02. Mai 2010 anlässlich der
Eröffnung der Art-Road-Way Kunstschule am Schönbuch in Ammerbuch

 
Dr. Helge Bathelt

Wozu - um Gottes Willen - eine Kunstschule?
Noch dazu eine Kunstschule, die sich - bei aller nahe liegenden Liebe zu Breitenholz - nun nicht gerade in einer der Kulturmetropolen unseres Landes nieder gelassen hat.
Der Aufbau einer solchen Einrichtung mitsamt der unausweichlichen finanziellen Investitionen kommt ohne zwei Voraussetzungen nicht aus: Idealismus und Triebtäterschaft. Idealismus, weil die Übernahme von Verpflichtungen ohne Gewinngarantie rein rational kaum zu begründen ist. Triebtäterschaft, weil es eines hohen Sendungsbewusstseins bedarf, das Kunstvermittlung als Desiderat begreift, das unabhängig von Ort und Zeit besteht. Besteht darüber nicht etwa Einigkeit schon dadurch, dass Kunsterziehung im Schulwesen ihren festen Ort hat, der sich bis hin zu spätgymnasialen Leistungskursen Noten relevant darstellt? Nun habe ich selbst einmal über solche Leistungskurse gearbeitet und dabei festgestellt, dass sie vor allem der Reduzierung von Komplexität dienen, denn schließlich bedarf es einer schonungslosen Operationalisierung künstlerischer Praxis und Theorie, um zeugnisrelevant und widerspruchssicher nieder kommen zu können. Die heilige Schrift des schulischen Unterrichts ist der Lehrplan, dessen Erfüllung kaum Möglichkeiten gewährt etwas zu vermitteln, das hauptsächlich im Focus der Beschäftigung mit Kunst stehen sollte, nämlich die Freude am persönlichen Umgang mit ihr. Natürlich stehen einer solchen Freude Kenntnisse keineswegs als Hemmschwelle entgegen, aber auch auf der Wiese wird nicht gekickt, nur weil ein Profivertrag für den Bolzer oder seine Eltern frühzeitig angedacht ist. Leistung wird immer mehr als fortgesetzte Qualifizierung missverstanden, die möglichst pränatal einzusetzen hat. Der Bereich unbeschwerter - weil unbenoteter - Beschäftigung, die bloße Entwicklung von Phantasie, scheint mir dabei zu kurz zu kommen. Freie Kunstschulen haben keinen Lehrplan zu erfüllen. Ihr Auftrag bezieht sich ausschließlich auf die Freude an der Sache, versucht Kreativität zu fördern, dient vor allem der Seele des Ausübenden, die degeneriert, wenn sie sich nur in Zielen und deren zwanghafter Erfüllung bewegt. Es ist möglich, einen Lehrplan auf Freude auszurichten. So etwas kommt, wie ich weiß, selbst im offiziellen Schulunterricht vor. Kunsterzieher haben es auch nicht leicht. Sie sind entweder gescheiterte Künstler, gescheite Künstler (wegen des gesicherten Broterwerbs), geborene Kunstvermittler oder Frustrierte (aber über Lehrpläne haben wir schon referiert). Das Spektrum an Freien Kunstschulen ist breiter. Dort werden nicht nur Kunsterzieher eingesetzt, sondern auch "echte" Künstler, wie zum Beispiel Frederick D. Bunsen, der als Freischaffender einen Namen hat, der Lehraufträge an der staatlichen Akademie in Klausenburg erfüllt, der in die Entwicklung der Kunst eingebunden ist, eine eigene reflektierte Position nachweisen kann (was sich über einen, der zusammen mit Niklas Luhmann publiziert hat, gewiss sagen lässt). Seine Kompetenz hat sich mit dem landesüblichen Fleiß von Bettina Baur verbunden. Für beide haben sich neu Zugänge eröffnet und mit großem Stolz dürfen sie heute auf das blicken, was sie in ebenso langer und mühevoller wie auch unglaublich kurzer Zeit hier erschaffen haben. Wenn man nun Bilder von Kindern und Jugendlichen hier sieht und außerdem weiß, was in den Erwachsenenkursen auf den Weg gebracht wurde, so erstaunt und begeistert die Aufgabenerfüllung "aus dem Stand" heraus. Es ist auch gelungen, Unterstützung zu finden. Den Ortsvorsteher haben sie vorhin gehört und den lokalen Bankenchef, der die Preise für den Wettbewerb gestiftet hat. Zu den Helfern gehören auch diejenigen, die das Neue in Breitenholz angenommen haben und sich hier gerne zum gemütlichen Kaffeetreff regelmäßig einfinden.
Noch ein Gedanke. Vielerorts werden Wirtschaftsentwickler eingestellt, damit Ort und Städte voran gebracht werden. Eine sehr gute Idee! Eine erstaunlich preiswerte Methode, um Zukunftsfähigkeit zu entwickeln, wäre die Ansiedlung von Köpfen. Der Mensch besteht schließlich nicht nur aus Arbeit und Magen, sondern hat eine Seele: auch wenn sie noch keiner gesehen hat. HJCB