"Das Schweigen der Farbe"

Prälat Werner Gross 2002

Tanzperformance in der St. Karl Borromäus Kirche Winnenden

Tanzperformance von Suzanne Lehrer

Installation 'Das Schweigen der Farbe', Photo F.Bunsen 2002

Dialog mit jedem der auf dem Boden liegenden 12 Bildern

Installation 'Das Schweigen der Farbe', Photo F.Bunsen 2002

Dialog mit jedem der auf dem Boden liegenden 12 Bildern

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Grußwort

Die Gemeinde St. Karl Borromäus in Winnenden und der Künstler Frederick Bunsen verdienen heute dankbare Anerkennung:

Die Gemeinde, weil sie (und das nicht erstmals) ihre Kirche einem Künstler und seinen Bildern öffnet.

Der Künstler, weil er seine Bilder in der Kirche zum Schauen und Betrachten ausstellt.

Ich weiß, sehr verehrter Herr Bunsen, Sie suchen mit Ihren Bildern gerne den Weg zur Kirche. Hier, in diesem "heiligen Raum", sind Ihre Bilder willkommen. Hier wird ihre mystische Dimension besonders sichtbar: die Boden-Bilder und die Plexiglas-Bilder. Ich betrachte diese gelungene Installation, die sich in den sakralen Raum einfügt, und denke an die zweifache Sehnsucht des Menschen: in sich verwurzelt zu sein und über sich hinauszugehen, bodenständig zu leben und sehnsuchtsvoll aufzublicken.

Sie haben Ihrer Installation einen Titel gegeben, der aufhorchen lässt und nachdenklich macht: "Das Schweigen der Farbe". Wir können bei dieser Ausstellung etwas vom Geheimnis der Farbe erleben. Erinnern wir uns an eine alltägliche Erfahrung: Die Strahlen der Sonne lassen die Vielfalt der Welt in ihrer ganzen Farbigkeit aufleuchten. Die Wirkungen des Lichts nehme ich immerzu wahr, aber das Licht selbst, so nah es mir ist, bleibt mir geheimnisvoll entzogen.

Aber wir können durch einen seltsamen Trick die Unsichtbarkeit des Lichtes in die Sichtbarkeit heben. Wird nämlich ein Lichtstrahl durch ein Prisma geleitet, so splittert sich das Licht auf und wird unserem Auge erkennbar. Das Spektrum der Farben leuchtet auf. Das ungebrochene Licht war unsichtbar, das gebrochene Licht nehme ich wahr und kann es beobachten. Und wenn ich den Farbenfächer der Regenbogenfarben wieder prismatisch zusammenbinde, erhalte ich wieder das lautere, klare, aber eben nicht direkt sichtbare Licht.

Sehen lernen, das bedeutet in diesem Zusammenhang: Ich muss die vielen Farben, die Partikel des Geschauten, wieder zusammensetzen. Aber es ist gut, dass es die farbigen Dinge gibt. Ich kann nicht alles auf einmal aufnehmen, im Nach- einander und im Zueinander jedoch freue ich mich über die Fülle von Nuancen und Farbtönen und koste sie mit meinen Sinnen aus. "Das Licht", sagt Paul Claudel, "wenn es farbig wird, trifft durch den Geist hindurch nicht bloß die Netzhaut der Augen, sondern alle unsere Sinne."

Wir müssen bei den Malern in die Schule gehen. Sie kennen das Geheimnis der Farben, sie leben mit Farben, sie gehen mit Farben um, sie können uns auch die Hintergründigkeit der Farben erschließen, ihr Sprechen und ihr Schweigen. Paul Cezanne hat gesagt: "Die Farbe ist lebendig und sie allein macht die Dinge lebendig... Die Farben sind das sichtbare Fleisch der Ideen und Gottes."

Als geistigen und geistlichen Wegweiser in die Ausstellung "Das Schweigen der Farbe" wähle ich eine schlichte Strophe des Siebenerliedes von Lothar Zenetti:

"Sieben Farben hat das Licht will die Nacht vertreiben sieh es an und fürcht dich nicht soll nicht finster bleiben".

Lieber Herr Bunsen, im Vorwort Ihres Katalogs zu dieser Installierung ist mir schon bei der ersten neugierigen Lektüre einer Ihrer Sätze aufgefallen, zu dem ich in den letzten Wochen immer wieder zurückgekehrt bin und wohl auch künftig zurückkehren werde: "Die Farbe in der Kunst schweigt, und doch kommt sie zum Sprechen."

Prälat Werner Gross 2002

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