"Das Schweigen der Farbe"

Joachim Scheu, Pastoralreferent, Winnenden 27. Oktober 2002

Tanzperformance in der St. Karl Borromäus Kirche Winnenden

Tanzperformance von Suzanne Lehrer

Installation 'Das Schweigen der Farbe', Photo F.Bunsen 2002

Dialog mit jedem der auf dem Boden liegenden 12 Bildern

Installation 'Das Schweigen der Farbe', Photo F.Bunsen 2002

Dialog mit jedem der auf dem Boden liegenden 12 Bildern

Zurück zum Hauptverzeichnis

Eröffnung am 27.10.2002

Immer wieder sucht Frederick Bunsen mit seiner Kunst den Weg in die Kirche. Das spricht für sich. Es zeigt sein Kunstverständnis: Kunst ist nicht Kommerz, sondern Geist! Dass Kunst Geist bedeutet, wird auch im Titel deutlich: Das Schweigen der Farbe! Ein origineller, ja provokativer Titel! Normalerweise spricht Farbe, man redet von "schreienden" Farben; Farbe weckt Lebensgeister! Schweigen und Farbe -ein Gegensatz oder?

Es kommt darauf an, was man unter "Schweigen" versteht. Bunsens Bilder kann man nicht im Vorbeigehen konsumieren. Sie sind wie ein Stopp-Schild: sie laden ein zum Verweilen und Innehalten! Sie laden ein zur Meditation," Wer. meditiert, schweigt normalerweise. Bunsens Bilder führen den Betrachter von der Oberfläche in die TIEFE! Sie sind wie eine offene Tür in tiefere Bereiche des Bewußten und Unbewußten. Wer die Tiefe schätzt. kommt am Schweigen nicht vorbei.

Das Schweigen der Farbe. Zum Rhythmus eines Dialogs. So der Untertitel. Plakativ könnte man sagen: Farbe repräsentiert die Kunst, das Schweigen steht für Meditation und Glaube. Wer Bunsen kennt, weiß wie wichtig ihm der Dialog ist. Er meint dabei nicht nur den Dialog zwischen seinen Bildern und den Empfindungen der Betrachter. Es geht ihm auch um den Dialog zwischen der Kunst und dem Bereich des Glaubens. Nicht zufällig ist es bereits die 3 , Kunstinstallation innerhalb von vier Jahren in dieser Kirche. Der Titel "Schweigen der Farbe" drückt einen Schnittpunkt zwischen beiden Bereichen aus. Bunsens Formensprache ist abstrakt, ungegenständlich. Was ist der Glaube? Ebenfalls abstrakt und ungegenständlich. Wenn auch vermittelt durch konkrete Symbole, die aber auf eine unsichtbare Wirklichkeit hinweisen.

Bunsens abstrakte Kunst geht bis an die Grenze menschlicher Ausdrucksmöglichkeiten. Sie befindet sich an der Grenze des Unsagbaren.

Und auch jede seriöse Theologie weiß darum: Für das Geheimnis, das wir Gott nennen, reichen menschliche Ausdrucksmöglichkeiten nicht aus. Gott ist an der Grenze zum Unsagbaren.

Nun zum I. Teil der lnstallation: der Boden-Installation es handelt sich um ausgesprochen kraftvolle Bilder, die Energie ausstrahlen. .. Viele sind ohne Titel sie schweigen in1 wahrsten Sinn des Wortes. -Wichtig ist, die Bilder in ihrer Gesamtheit zu betrachten: durch die Boden-Bilder wird der Betrachter vom Kopf auf die Füsse, auf den Boden gestellt. Der Boden wird aufgewertet. Wer schon im Flugzeug längere Zeit geflogen ist. weiß den kostbaren Augenblick zu schätzen, wenn wieder fester Boden unter den Füßen ist. Der Boden, auf dem ich mich bewege, bekommt durch die Installation plötzlich eine ganz neue Bedeutung:

Was trägt mich und mein Leben? Worauf ,.stehe" ich? Was sind meine Wurzeln? Was gibt mir Halt? Kann ich zu mir stehen? "Kinder brauchen Wurzeln" - so war neulich in der Winnender Zeitung zu lesen in Anspielung auf die Geiselnahme an der Schule in Neustadt.

-Die Bilder in ihrer Gesamtheit drücken für mich meinen Lebensweg aus, meinen Alltag, das Bodenständige, meine Welt, in der ich mich bewege.

-Wilde Pinselstriche lassen manche Bilder chaotisch erscheinen. Sie sind ein Abbild für das Chaos im Leben, in der Welt.

-Die 12 Boden-Bilder sind wie schlaglichtartige Bilder aus den Fernsehnachrichten. Pausenlos, gnadenlos flimmern rund um die Uhr die Nachrichten auf dem Bildschirm.

-Ein Hauch von Weihnachten weht über dem Boden. Gott wird Mensch! In Jesus ist er den irdischen Weg des Menschen gegangen. Die Krippe hat den Boden berührt, das Kreuz auf Golgatha war im Boden verankert.

Nun zum 2. Teil der Installation:

Ich stelle mir vor, die Installation würde hier, wo ich stehe, zu Ende sein. Der Weg endete hier. Es geht nicht mehr weiter. Die Welt wäre sich selbst genug, sie wäre sich selbst überlassen. Ich überlasse es ihnen, sich diesen Zustand auszumalen. sich zu fragen; könnte ich mich da wiederfinden?

Auf jeden Fall geht der Weg weiter. 2 Plexiglasbilder markieren eine weitere Etappe auf dem Weg. Sie drücken eine Bewegung nach oben aus, weg vom Boden. Der Blick des Betrachters wird nach oben gezogen. Es sind Erfahrungen der Freundschaft, des Glücks, der Liebe, die mich nach oben ziehen, die mich schweben lassen, die den Alltag übersteigen.

Diese hängenden Bilder sind wie ein Fingerzeig: sie weisen hin auf den Altar, Mein Weg endet nicht im Nichts, im Bodenlosen, sondern geht über in den Altarraum, den Bereich des Göttlichen. Die 12 Bilder sind wie Schritte in eine andere Welt. Der Altar ist in einer katholischen Kirche immer das Symbol für Gott. Wer auf den Bildern schreitet, kommt dem Altar, kommt Gott näher. Auf dem Weg zum Altar bringe ich mein Leben mit. In den Gaben von Brot und Wein wird mein Alltag hineinverwandelt in die Kraft der Liebe Gottes.

Die hängenden Bilder sind wie ein Fingerzeig in bezug auf das KREUZ. Das starke Rot lässt die Bilder wie die vergrößerten Wundmale Jesu am Kreuz erscheinen. Schauen Sie genau hin, mit welchem Gegenstand die Schnur an den Bildern befestig ist. Das kräftige Rot steht für Leben und Liebe.

Wenn ich auf dem letzten Bild stehe, fühle ich mich wie auf einer Schwelle. Ich werde quasi nach oben gezogen. hinein in die ausgebreiteten Arme Jesu am Kreuz. Wer die Bewegung mitmacht, vom Portal Schritt für Schritt nach vorne schreitend, wird hineingenommen in den Weg Jesu, der über das Kreuz zur Auferstehung fuhrt.

Die beiden hängenden Bilder symbolisieren für mich OSTERN. Der Weg geht weiter ...mein Lebensweg endet nicht im Nichts. Hinweisen möchte ich Sie noch aufeinen anderen Standort: Von der Empore aus betrachtet erscheint die Installation wie ein großes Kreuz, das im Raum sich aufrichtet. Probieren Sie es nachher mal aus. Das Kreuz -ein uraltes Symbol für den Schnittpunkt der Gegensätze; Tag und Nacht, Sommer und Winter, Gefühl und Verstand, Mann und Frau ...

Das Kreuz verbindet aber auch. Der Schnittpunkt ist gleichzeitig ein Ruhepunkt, der die Gegensätze zusammenfuhrt .

Neulich sprach ich eine Frau bei der Vernissage im Rathaus. Wir sprachen über Bunsens vergangene Installationen in unserer Kirche. Sie meinte: Ich trage diese Bilder immer noch in meinem Inneren mit. Da ist etwas geblieben, Das wünsche ich mir auch für heute: dass Bunsens Bilder nicht vorbeihuschen, sondern dass sie Spuren hinterlassen in ihrem Herzen. Das Sie etwas von heute mitnehmen in Ihren Alltag.

Ein Maler wie Bunsen kann viel mehr sagen, als man mit Worten sagen kann.

Joachim Scheu, Pastoralreferent

Top


© 2001