"Das Schweigen der Farbe"

An der Grenze des Unsagbaren: Theo-Logisch

Joachim Scheu, Theologe und Religionspädagoge

Tanzperformance in der St. Karl Borromäus Kirche Winnenden

Tanzperformance von Suzanne Lehrer

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Einem inneren Impulse folgend sucht Frederik Bunsen mit seiner Kunst regelmäßig den Weg in die Kirche. Er besteht Kirche weniger als Gebäude sondern als einen "heiligen Ort". Kirche als Raum und Erlebnis, in dem der Mensch zu sich kommen kann und in eine besondere Atmosphäre eintritt. Die Aura des Kirchenraums befreit von den Zwängen des Alltags, befreit zur Begegnung mit sich selbst und damit letztlich zur Begegnung mit Gott. Mit seinen Bildern stellt der Künstler ein imaginäres Stopp-Schild auf - sie geben Anstoß zum Innehalten und Verweilen. Seine Kunst kann man nicht im Vorbeigehen konsumieren. Der abstrakte Gehalt seiner Bilder stellt gewohnte Sichtweisen in Frage. Sie entziehen sich der eindeutigen und schnellen Festlegung. Sie provozieren vielmehr Fragen. Eine offene und unbegrenzte Weite eröffnet sich beim Betrachten der Bilder. Sie atmen eine wohltuende Weite und ermöglichen eine Freiheit, die in Psalm 18 wie folgt umschrieben wird: "... Du führst mich hinaus ins Weite." Ohne Zweifel führt Bunsens Kunst in die Tiefe. Farbe und Form machen es möglich. Zur Tiefe findet, wer sich anfragen und infragestellen lässt. Wer die Tiefe schätzt, hat Schweigen gelernt. Schweigen können ist eine Voraussetzung, um sich selbst zu begegnen.

Wer sich selbst begegnet, bekommt in der Tiefe des Herzens eine Ahnung von einem göttlichen Geheimnis, das wie ein Stern über dem Leben jedes Menschen steht.

Der Titel "Schweigen der Farbe" drückt eine mystische Dimension aus, die in Bunsens Bildern anklingt. Seine Bilder lassen keine andere Wahl, als in sich zu gehen und hinabzusteigen auf den Grund des eigenen Ichs. "Gott ist mir innerlicher als ich mir selbst bin" sagt Augustinus. Zu dieser Selbst- und Gottesbegegnung möchte der Künstler mit seinen "Farb-Ikonen" anregen. Es sind etwas "andere" Ikonen, die durch ihre Abstraktheit die Grenze des Unsagbaren markieren.

Zu Bunsens Werdegang gehört Bewegung. Dieses biografische Moment findet sich wieder in seinen "Boden-Bildern" im Mittelgang der St. Karl Borromäus Kirche. Diese "Boden-Installation" (siehe Skizze: a.) sind wie Schritte auf dem Weg. Ein Weg, der von der Welt, vom Portal Richtung Altar führt. Der Altar markiert die Herzmitte einer katholischen Kirche: es ist die Erinnerung an Jesu Liebe, die von den Gläubigen in den Zeichen von Brot und Wein verinnerlicht wird. Auf dem Weg zum Altar bringen die Menschen ihr Leben mit. In den Gaben von Brot und Wein wird ihr Alltag hineinverwandelt in die Kraft der Liebe Gottes. "... der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden." (Ex 3,5) Das ist die Stimme Gotte, die Moses in der Wüste beim Anblick des brennenden Dornbuschs vernimmt. Die Bilder auf dem Boden zwingen geradezu den Blick auf den Boden und werfen Fragen auf: Welches ist "mein Boden", der mich und mein Leben trägt? Worauf "stehe" ich? Wer den Kopf nur nach oben trägt, verliert irgendwann den Boden unter den Füssen und verliert damit sich selbst. "Bodenhaftung" gibt Stand und Halt! Nur wer um seine Wurzeln weiß, kann sich getrost nach oben ausstrecken. Bunsen stellt den Betrachter vom Kopf auf die Füße! Die Bodenhaftung des Christentums zeigt sich in der Menschwerdung Gottes. Gott war sich nicht zu schade in einem Stall als Obdachlosenkind zur Welt zu kommen. Bodenhaftung allein aber wird dem Wesen des Menschen nicht gerecht. Der Mensch streckt sich aus nach dem, was seinen Alltag übersteigt. Erfahrungen des Glücks, der Liebe ziehen ihn aus den Niederungen der Arbeit und der Banalität des Alltäglichen nach oben. Diese Sehnsucht des Menschen nach "himmlischen Erfahrungen" wird angedeutet in den beiden frei hängenden Plexiglas-Bildern (siehe Skizze: b.) im Bereich des Altarraums. Wer möchte nicht hin und wieder "über den Dingen schweben?" Über den Dingen schweben und gleichzeitig tief in sich verwurzelt sein - das ist "höhere Kunst", eine Kunst zu der Frederik Bunsen einlädt und Mut macht.

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