"Kreuzverhüllung"

Einführung Zur Kunstprojekt

Joachim Scheu 20. Februar 1999, Pastoralreferent St. Karl Borromäus Kirche, Winnenden

Kunstinstallation in der St. Karl Borromäus Kirche Winnenden

Die Kreuzverhüllung 1999 (Fotos Karin Mueller Leonberg)

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Wie kam es zur Entstehung des Kunstprojekts "Kreuzverhüllung" in der St. Karl Borromäus Kirche? Gibt es eine Vorgeschichte? Daß moderne Kunst und Kirche sich berühren ist ja alles andere als selbstverständlich. Waren in den frühchristlichen Jahrhunderten Kunst und Kirche eine untrennbare Einheit, so ist das Verhältnis Kunst und Kirche seit der Neuzeit problematisch geworden. Die Kunst hat sich vor allem seit dem vorigen Jahrhundert von der theologischen Umklammerung emanzipiert. Heute gibt es allenfalls ein Nebeneinander dieser beiden Kulturformen. Warum also heute Kunst in der Kirche, noch dazu in einer ganz normalen Gemeinde wie hier in Winnenden?

FD Bunsen ist der spiritus rector, der Initiator dieses Projekts. Seitdem er hier in Winnenden wohnt - er ist Mitglied unserer Kirchengemeinde - treibt ihn die Frage um: Wie könnte man die Kirche künstlerisch so verändern, daß der Raum zum Sprechen kommt.

Wie könnte man die Architektur des riesigen Kirchenschiffs mit den endlos langen Wänden so verändern, daß die Statik des Raums sich in Dynamik verwandeln läßt. Wie gelingt es, dem nüchternen Kirchenraum Wärme zu geben?

Wer F.Bunsen kennt, weiß um seine Spiritualität, um sein Bemühen, eine Brücke zu schlagen zwischen Kunst und Kirche.

Es ist kein Zufall, daß Bunsen dieses Kunstprojekt bestehend aus 3 Raumobjekten konzipiert hat. Den vier "Hungertüchern" an den Seitenwändern dem freischwebenden Stein und dem schwarzen Bildrahmen. Je nach Standort des Betrachters ergibt sich eine Verhüllung des Kreuzes durch den Stein. Die Zahl drei spricht für sich. Sie steht für die Trinität Gottes. In christlicher Sicht ist Gott ja kein monolithischer Block, sondern ist in sich trinitarisch, dialogisch verfaßt. D.h. Gott ist in sich Beziehung Gemeinschaft, Begegnung.

Auch dieser Kirchenraum/dieses Gotteshaus ist konzipiert als ein Ort der Begegnung und der Beziehung untereinander und vor allem der Beziehung zum letzten Grund unserer Wirklichkeit zum absoluten Geheimnis unseres Daseins. Dieses Kunstprojekt mochte mit seiner Symbolsprache auf den letzten Grund unseres Daseins hinweisen. Und dabei berühren sich Kunst und Kirche, ohne den anderen zu instrumentalisieren. Ureigenste Sache der Kunst ist es, das Unsichtbare, das normalen Augen verborgen ist, sichtbar zu machen. Kunst bringt das Unsichtbare in Form und in Farbe, transzendiert, übersteigt den Alltag.

Und es ist die ureigenste Sache der Religion, das religiöse Geheimnis mit unseren Sinnen erfahrbar zu machen. Die Sprache der Religion ist ja das Symbol. Und gerade auch die Kunst bedient sich der Symbolsprache. Der inzwischen verstorbene Münchner Philosoph und Jesuitenpater Johannes Lotz begründet die Einheit von Kunst und Religion folgendermaßen: "Kunst und Religion durchdringen sich, weil in der Kunst das Absolute der Religion und in der Religion das Bildhafte der Kunst lebt. Wenn daher die Kunst sich völlig von der Religion trennt, wird das ihr eigene Absolute gefährdet; wenn umgekehrt die Religion sich völlig von Kunst ablöst, wird sie abstrakt und lebensfremd. Eine gänzlich der profane Kunst gleitet aus dem Sein heraus und zerstört damit sich selbst; und eine gänzlich bilderlose Religion verliert die Verwurzelung im Menschen und löst sich damit auf. Mit Recht pflegt das Christentum die Einheit mit der Kunst; Anfänge davon finden sich bereits in den Katakomben um Rom herum. Dabei widerstreitet der Ganzheit des Menschen ebenso der Rigorismus der alle Bilder ausschließt, wie der Ästhetizismus der im Bildhaften versinkt."

Ich wünsche mir, daß dieses Kunstprojekt helfen mag, daß der Glaube der Menschen, die sich hier zum Gottesdienst treffen, nicht in Gewohnheiten und Ritualen erstarrt sondern im Gegenteil, befruchtet, inspiriert wird durch die Symbolsprache der Kunst. Die Wortlastigkeit der Gottesdienste ist ja ein Problem unserer Zeit.

Wenn die Betrachter und Kirchenbesucher durch die Kunstobjekte zur Fragen angeregt werden, wenn eine Spannung aufgebaut wird, da Sehgewohnheiten durch die Raumobjekte sich verändert haben, dann ist viel erreicht.

Ich wünsche mir, uns allen, daß das Projekt Kreuzverhüllung diese Kirche zu einem Ort des Sehens und der Begegnung macht. Daß Religion, daß Glaube zu einem sinnlichen Erlebnis wird.

Es gibt also auch für die Kirche gute Gründe, die Kirchentür für die Kunst zu öffnen. Es wäre ein kultureller und spiritueller Verlust, wenn Kunst nur noch in Banken und Galerien eine Plattform fände.

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