Arbeit an der Form, Frondienst am Begriff

Jörg Nolle 13. April, 1993

Trinität

Frederick Bunsen
Trinität 1986, 90 cm x 71 cm, Acryl auf Papier

nach Alaska
Trinität

Die Trinität nach Bunsen

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Wenn es stimmt, was Sloterdijk dem Berufskreateur ins Skizzenbuch schreibt; wenn es stimmt, daß die Künstler sich als "Selbstvergöttlichung des Individuums" feiern lassen und damit zu einer Überdehnung der Moderne beitragen, bis der Maler als Oberschamane selbst suspekt wird - dann trifft alles auf Frederick Bunsen zu und doch wiederum nicht. Eine Spur von Smartheit ist im Spiel, wenn er flugs solche Monsterbegrifflichkeiten wie "Mega-Expressionismus" locker aus dem apart amerikanisch eingefarbten Redeschwall aufblitzen läßt. Bunsen, der Texaner mit mittlerweile 20 Jahren Deutschland-Praxis, ist deshalb noch kein Jeff Koons, der an der Pop-Moderne so lange schraubt, bis die Windungen vollends ins Groteske reichen. Bunsen war und ist schon immer viel zu sehr deutsch. Will heißen: Die Arbeit mit der Farbe und an der Form wird verbunden mit Frondiensten am Begriff, an Wesen und Struktur eines Ausdrucks - materiel1, existentiell. Um eine Zwischenantwort zu geben: Meta-Expressionismus heißt, Leben und Kunst in Einklang zu bringen.

Einklang heißt zweitens bei Bunsen ebenso zwingend: Das Ausagieren der Widersprüche bis zur gelebten und also zu malenden Disharmonie. Wer als Maler ebenso wie als Betrachter die Kunst nicht mit dem Prozeß der eigenen "Seinswerdung" verbindet, sagt der nahe bei Stuttgart in Winnenden mit Frau und zwei Kindern lebende Bildermacher, "der betreibt eine Selbstlüge", trage nur zur Stabilisierung eines Systems bei, das schließlich auch den Kunstbetrieb überformt hat hin zur Gesetzmäßigkeit des Marktes und damit der schnellen Mark. Der Künstler müsse "ein Jetzt haben", dürfe weder in der Vergangenheit noch in einer imaginären Zukunft leben, Seine Deutung eines modernisierten Existentialismus-Begriffs, zusammenfassend: "Jeder muß sich bewußt machen, in welcher Zeit er lebt" - sich stehlen aus der Verantwortung gilt nicht. Nehmen wir die Formen bei Bunsen. Fragmente von Wirklichkeit wohl, aber Symbole in engeren Sinn sollen es keine sein, denn die stehen für etwas leichterdings Ausdeutbares. Und eben nicht für das Numinose, das Faszinierende und Abstoßende, weil Häßliche, zugleich. Nehmen wer ein - leider auch schon überdehntes - Stück Theorie, das aus der Chaosforschung. Wählen wir ein bereits zu tote zitiertes sprachliches Bild: Das vom Flüelschlag eines Schmetterlings, der viele Tausend Kilometer weiter entfernt auf dem Erdenrund den lokalen Weltuntergang auslösen kann. Nehmen wir dazuhin noch eines der neueren, hier abgedruckten Bunsen-Werke, dann haben wir eine Vorstellung. Eine Idee von der Wucht, der Struktur des Unheils, schließlich der wie auch Immer gearteten Ordnung im blitzartigen Prozess der Verwüstung. Landschaften können so zugerichtet werden. Menschliiche Leiber auch, so daß der Bauplan der Natur zur Makulatur wird. Und schließlich können auch die Topographien von Seelen einem Akt der extern wie auch der immanent gesteuerten Aggression bis zu dieser Kenntlich-Ünkenntlichkeit zugerichtet werden.

Was sehen wir rein formal? Sich in den Bildhintergrund, damit bis zum Urknall zurückschraubende Kreise, mit halber Kraft aufsteigende Linien und wieder versackende Diagonale versinkend in der Ursuppe der Schöpfung. Im Fastpainter-Gestus zugemalte Flächen und doch wieder transparent genug für den Blick auf die Grausamkeiten. Nichts muß zur Figur, zum dinghaften Gegenstand, zur Wiedererkennbarkeit streben, weil er alles offen daliegt. Ein Stück Selbstentblößung.

Wer es biographisch interpretieren will, der nehme folgende Fetzen aus dem selbsterzählten Werdegang: Umzug in den USA. an die oberste Spitze des Kontinents, nach Alaska, dort die "öde menschenleere Kälte", die nur einen selbst zuläßt. Dort, im Ich-Innern, "das Finden im warmen Herzschlag pulsierenden Blutes". Merke (zwischendurch): ein gewisses Maß an Selbststilisierung darf sein, es läßt die Dinge schärfer sehen und sagen.

Später dann die Übersiedlung in den vor lauter Geistesgeschichte träge gewordenen Bauch Europas. Aneignende Wahrnehmung der ambulanten Geistheilerei eines Martin Heidegger oder Hans-Georg Gadamer bis hin zu den exakteren Verfahren des Kommunikations-Strategen Niklas Luhmann. Inklusive gemeinsamer Veröffentlichungen mit letzterem. Arbeit im Bergwerk der Begriffe, Schürfung des Rohstoffs Scharfsinn.

Eine Serie von Frederick D. Bunsen heißt "Trinität" (siehe auch: Josef Sudbrach, Trinität), in einem viel herumgereichten Material-Mix-Bild gibt ausweislich des Titels Gott ein Zeichen - der Himmel tut sich auf und die höhere Weisung erfolgt mittels eines auf die Leinwand geklebten Arbeitshandschuhes. Darinnen: ein Plastikherz. Was also, letzte Frage, spielt das höhere Wesen für eine Rolle? Bunsen, der in seinem dreisprachigen Wortmeldungen das Deutsch-Amerikanisch noch mit einem effektvollen Schlag an Schwäbisch garniert, wird knitz. Und doch ist's ihm ernst: "Wenn Gott da wäre, dann in der Beteiligung der Zuschauer." Viel mehr zu sagen ist unnötig. Birgt die Gefahr, banal zu werden. Und so d¨rfen die Dinge bei Bunsen nie dann Grad des fertig Erschaffenen erreichen. Dann wäre Bunsen, wäre der Betrachter, viel zu schnell fertig.

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