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Eine Einheit von Fremdreferenz und Selbstreferenz in den Bildern von Frederick Bunsen

Barbara Ilkosz, Nationalmuseum Wroclaw (Nationalmuseum Breslau, Polen). Polnische Kunstzeitschrift, Sygnały 1994, Seiten 119-120. (aus dem Polnischen übersetzt)

Frederick Bunsen
Trinität (Selbstbildnis) 1986, 90 cm x 71 cm,
Acryl auf Papier

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Polish Translation

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Der Tod ist "die älteste aller Ängste". - wurde von Emil Cioran geschrieben. Das ist richtig. Dieser letzte Moment der biologischen Existenz eines Menschen wirft seit langem die Frage auf: Ende oder Anfang? Intellektuelle Einsichten können unsere Unwissenheit nicht beseitigen. In den Worten Emanuel Levinas' ist "der Tod das am wenigsten bekannte Phänomen unter den Unbekannten". Auch die Naturwissenschaften verlieren in der Konfrontation mit diesem Rätsel, trotz ihrer sensationellen Fortschritte. Die biblische Tradition hat uns das Bild des Todes als Strafe für die Sünde des Ungehorsams gegenüber Gott überliefert. Wir werden also geboren, um zu sterben. Martin Heidegger beschrieb es heute als "Sein zum Tode". Die Frage nach dem Tod ist auch eine Suche nach der Essenz des Lebens, der Quelle des Seins, und folglich eine Frage nach dem Absoluten und dem Sacrum. Angesichts dieser Geheimnisse hat der Mensch schon immer Angst empfunden. Die vom religiösen Glauben getragene Angst vor dem Unbekannten wurde von dem Glauben an die Möglichkeit, diese unbegreifliche Schwelle zu überschreiten, einem Glauben an Unsterblichkeit und Ewigkeit beherrscht. Im Kreis der europäischen Kultur war eine gängige Darstellungsweise des Todes, eines Phänomens spiritueller Natur, seine Personifizierung.

Die Tradition von Thanatos und "Die Tannine des Todes", die auf der figurativen Darstellung beruhte, ermöglichte es, die Interpretation von Religion, Emotionen und Moral auszudrücken. Man fand den Prozess des Vergehens, des Auferstehens und des Sterbens. Der Prozess des Vergehens, der Schöpfung und des Aussterbens fand seine Entsprechung in der natürlichen Welt. Und es war auch ein Symbol, eine Metamorphose von Leben und Tod.

Die Abkehr von der mimetischen Wiedergabe der Wirklichkeit, die für die zeitgenössische Kunst charakteristisch ist, eröffnete neue Möglichkeiten des künstlerischen Schaffens. Die einstige Hilflosigkeit angesichts des formlosen Phänomens wich dem bewussten Wunsch, nicht-physische Existenz darzustellen. Die Theorie von Wilhelm Worringer über die Abstraktion als eine höhere Kunstform - als Ergebnis einer inneren Angst vor den Phänomenen der Außenwelt - hat eine Grundlage geschaffen. Entscheidend war auch die Pionierarbeit von Wassily Kandinski, der viel aus der theosophischen Interpretation der Spiritualität als formloses Wesen schöpfte. Ein halbes Jahrhundert später bezog sich Josef Beuys nicht nur auf die Gedanken Rudolf Steiners, sondern warf auch eine Parole zur Wiederherstellung der ursprünglich christlichen Werte ein. Beuys' Stimme war ein Aufruf zur Subjektivität und eine Suche nach einem spirituellen Element im Leben und in der Kunst.

Der stilistische Pluralismus, typisch für die letzten Jahrzehnte, schließt Kanon und Norm aus. Sie werden durch die sogenannten "eigenen Mythologien" ersetzt. - um einen Begriff zu verwenden, der nach der Ausstellung Kasseler Dokument V popularisiert wurde. Der Relativismus der in der Kultur vorhandenen Werte zwingt die Künstler dazu, individuell nach Antworten auf die grundlegenden Fragen zu suchen, die die Realität mit sich bringt. Eine solche Herausforderung ist der Tod. Meistens wird sie mythologisiert, in Form von Allegorien, oft mit farbiger Ironie. Es ist ein seltener Fall, dass wir das Problem der Eschatologie in Bezug auf den christlichen Glauben aufgreifen. Diese Konten werden von Friedrich Bunsen belegt, dessen Werk im vergangenen Jahr im Rahmen der Ausstellung "Passage" im Nationalmuseum in Breslau hätte präsentiert werden können.

Bunsen, ein gebürtiger Texaner, lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Er studierte Naturwissenschaften an der Universität Corvallis, Germanistik an der Universität Stuttgart und an der dortigen Akademie der Künste. Schon während des Studiums interessierte er sich für das Phänomen des Todes und Sterbens. Seine Faszination für dieses Thema führte ihn dazu, die Transzendenz in der Kunst zu suchen. Der Effekt der intellektuellen Spekulation war u.a. die gemeinsam mit dem Philosophen Niklas Luhmann entwickelte Publikation "Unbeobachtere Welt" (Bielefeld 1990). Bunsen malt, ist Grafiker und organisiert Performances. Von den ausgestellten Gemälden und Grafiken sind einige betitelt: "Das Kreuz (Kreuz)", "Heilige Dreifaltigkeit". Es ist vergeblich, in ihnen nach traditioneller Symbolik zu suchen, vergeblich nach dem Bild Gottes. Sich kreuzende Linien, transparent überlappende Ebenen schaffen eine starke räumliche Perspektive, die einen optisch ins Bild hineinzieht. Unter diesen Diagonalen, vertikalen und horizontalen Formen kann man verborgene Umrisse von Schädeln oder Skeletten finden. Spuren der Vanitas im Chaos der Formen, in den vageeren, Spuren der Zerstörung der Wirklichkeit. Das Motiv eines Kreuzes oder eines Stacheldrahtes, das die dunkle Korona Christi andeutet und im Liniengewirr erscheint, hat neben dem Bezug zur christlichen Tradition eine archetypische Bedeutung. Das Kreuz, ein Symbol der Symbiose von Zeit und Raum, war auch ein Kreuzungspunkt der Lebenden und Toten. Für die Christen war es ein Zeichen des Leidens und des Triumphs des Lebens über den Tod. Das trinitarische Motiv, charakteristisch für die Glaubensvorstellungen vieler alter Kulturen, ist das Grunddogma des Christentums. Bunsen bestreitet die Darstellung dieses Dogmas und malt einen "Dialog zwischen Leben und Tod" in Konfrontation mit religiöser Erfahrung. Der Übergang zum Tod erfolgt durch das Kreuz. Der Glaube weckt die Hoffnung, dass dieser Übergang möglich ist. Dem Mysterium des Todes geht das Sterben voraus, das untrennbar mit Leiden verbunden ist. Das Krankenhausbett, das den Höhepunkt der Exposition bildete, ist heute ein stummer Zeuge des Schmerzes des Sterbens.

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